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Umwelt | | von Thies Claussen
In den 1960er Jahren rückte das Thema Klimawandel schon in das öffentliche Bewusstsein.  (Foto: AdobeStock/Animaflora PicsStock)
In den 1960er Jahren rückte das Thema Klimawandel schon in das öffentliche Bewusstsein. (Foto: AdobeStock/Animaflora PicsStock)

Scheitert der Klimaschutz?

Der Kraillinger Dr. Thies Claussen war Ministerialdirigent im Bayerischen Wirtschaftsministerium und zuletzt Vizechef der LfA Förderbank Bayern. Inzwischen betätigt er sich als Zukunftsforscher und Autor. Sein sechstes Buch erscheint im März 2022 und hat den Titel „Im Wandel der Zeit. Wo stehen wir? Wohin gehen wir?“.

Auszugsweise veröffentlicht Unser Würmtal an diesem Wochenende zwei Kapitel als Vorschau. Fußnoten die nicht verlinkt werden konnten werden am Ende des Artikels aufgeführt.

Kapitel "Scheitert der Klimaschutz an unserer Bequemlichkeit?"

In den 1960er Jahren gab es noch keine Greta Thunberg. Die schwedische Schülerin hat erst seit 2018 jeden Freitag vor dem schwedischen Parlament für den Klimaschutz gestreikt und mit „Fridays for Future“ eine weltweite Bewegung zum Schutz des Klimas ausgelöst.

Club of Rome

In den 1960er Jahren rückte das Thema Klimawandel erst langsam in das öffentliche Bewusstsein. 1968 wurde in Rom der „Club of Rome“ gegründet, ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern, Wirtschaftsführern und Politikern aus mehr als 53 Ländern. *1 1972 veröffentlichte der Club of Rome seinen Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ und warnte darin vor einem ökologischen Niedergang, wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält. *2

Autor Dr. Thies Claussen aus Krailling
Autor Dr. Thies Claussen aus Krailling

Die Geschichte der Weltklimakonferenzen begann erst zwanzig Jahre später. Auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 einigten sich 154 Staaten, die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre auf ein Niveau zu stabilisieren, das eine von Menschen verursachte „gefährliche Störung“ des Klimasystems verhindert. Konkrete Ziele und Maßnahmen wurden in der Konvention damals allerdings noch nicht festgelegt. *3

Ein weiterer Meilenstein war das „Kyoto-Protokoll“, das 1997 verabschiedet wurde, aber erst 2005 in Kraft trat und 2012 endete. Darin verpflichteten sich fast alle Industriestaaten erstmals rechtsverbindlich zur Reduzierung der Treibhausgase. Diese sollten bis 2012 um rund 5 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken.

Am 12. Dezember 2015 beschloss die Weltgemeinschaft das Pariser Klimaabkommen als Nachfolgedokument des Kyoto-Protokolls. Darin wurde vereinbart, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, möglichst sogar auf unter 1,5 Grad.

Lange und beschwerlich

Nach dem langen und beschwerlichen Weg der Weltklimakonferenzen konnte nun im November 2021 bei der 26. Weltklimakonferenz in Glasgow erstmals erreicht werden, dass sich alle 197 beteiligten Staaten auf eine beschleunigte globale Energiewende weg von der Kohle und auf den Abbau von Subventionen für fossile Energien (Öl, Kohle, Gas) geeinigt haben, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. *4 Künftig soll weltweit jährlich und nicht nur alle fünf Jahre überprüft werden, wie groß die Lücke zum 1,5 Grad-Ziel noch ist. Deutschland will schon 2045 klimaneutral werden und bis 2030 den Treibhausgasausstoß um mindestens 65 Prozent senken.

Wie die Geschichte der Weltklimakonferenzen zeigt, ist zwar bisher viel erreicht worden, aber dennoch bleiben viele Fragen und Probleme offen. Im globalen Maßstab befinden wir uns immer noch in der größten Kohle-Renaissance der Industriegeschichte. Allein in China sind 200 neue Kohlekraftwerke im Bau. *5 Für viele gilt die 1,5 Grad-Begrenzung als nicht mehr realisierbare Zielmarke. Ohne weitergehende Veränderungen nähern wir uns eher einer Erhöhung um 3 Grad und mehr.

Folgen

Schon jetzt sind die Folgen des Klimawandels deutlich zu spüren. Experten sind sich sicher, dass durch die Erderwärmung Extremwetterereignisse wie Dürre, Hitze, Starkregen, Stürme, Überschwemmungen und sogar Tornados zunehmen werden. *6 Die Zerstörungen solcher Wetterextreme können enorm sein. Menschen sterben, verlieren ihr Hab und Gut oder ihre Heimat. Der wirtschaftliche Schaden ist immens. Bei der Hochwasserkatastrophe Mitte Juli 2021 in Deutschland starben mehr als 180 Menschen. Die Flut verursachte zudem Sachschäden in Milliardenhöhe.

Natürlich muss die Politik die entscheidenden Beiträge zum Klimaschutz leisten. Dies gilt zum Beispiel für die Bereiche Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr oder Landwirtschaft. Aber auch jede und jeder Einzelne muss zum Klimaschutz beitragen. Viele Stellschrauben für Treibhausgase kann der Einzelne zwar nicht beeinflussen. Trotzdem kann jeder seinen CO2--Rucksack durch sein Konsumverhalten im Alltag verringern.

Kleine Veränderungen

Das Institut der deutschen Wirtschaft hat berechnet, dass sich schon durch kleinere Veränderungen des Konsumverhaltens in Deutschland im Jahr rund 33 Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen ließen. *7 Dies belegt das Institut der deutschen Wirtschaft mit den nachfolgenden vier Beispielen: *8

Lebensmittelabfälle: Jedes Jahr landen in Deutschland zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll, 50 Prozent davon allein bei Privathaushalten. Von den Haushaltsabfällen ist knapp die Hälfte Obst und Gemüse – die meist aufwendig angebaut wurden. Mit den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen hat Deutschland 2015 eine Halbierung der Abfälle beschlossen.

Wenn jeder Bundesbürger jene 75 Kilo Lebensmittelabfälle, die durchschnittlich pro Jahr und Kopf anfallen, durch bessere Planung und Abfallvermeidung um die Hälfte reduziert, würden pro Person jährlich 74 Kilo weniger Treibhausgasemissionen verursacht. Und wenn dies allen Einwohnern in Deutschland gelänge, könnten weltweit mehr als sechs Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden. Zum Vergleich: Der innerdeutsche Flugverkehr hat 2019 etwa zwei Millionen Tonnen an Kohlendioxid verursacht.
Emissionsarme Proteinquellen: Im Ernährungsmix sind vor allem importierte Lebensmittel und Fleisch emissionsintensiv. Ein Kilogramm Rindfleisch verursacht rund 30 Kilo CO2-Äquivalente, bei Schweinefleisch und Geflügel sind es jeweils vier Kilo. Für pflanzliche Ersatzprodukte liegt der Wert niedriger: Bei derselben Menge Soja beispielsweise entstehen nur knapp 1,2 Kilo Treibhausgase.

Gewohnheiten ändern

Ernährung: Jeder Deutsche verzehrte 2020 im Schnitt rund 57 Kilo Fleisch, das umgerechnet etwa 630 Kilo CO2-Äquivalente bedeutet. Wenn der Fleischverzehr um 20 Prozent sinkt – die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt mit minus 50 bis 75 Prozent deutlich mehr – und durch pflanzliche Produkte ersetzt wird, würde jede Person rund 120 Kilo Emissionen weniger pro Jahr verursachen. Auf die deutsche Bevölkerung gerechnet wären so Emissionsminderungen von knapp zehn Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten möglich.

Kleidung: Im Durchschnitt kauft jeder Deutsche 56 Kleidungsstücke im Jahr, die in der Herstellung insgesamt rund 680 Kilo CO2-Äquivalente verursachen. Schätzungsweise ein Fünftel der neuen Garderobe wird gar nicht oder kaum getragen. Vor allem Saisonartikel landen schnell im Müll oder in der Altkleidersammlung.

Würden die Verbraucher hierzulande jährlich 20 Prozent weniger in neue Kleidung investieren – das entspricht elf Kleidungsstücken – und stattdessen Secondhandware kaufen, könnte jeder circa 140 Kilo Treibhausgase einsparen. Wenn das alle machen, könnten die Deutschen jährlich mehr als elf Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen.

Mobilität: Bahn statt Flugzeug: Der gesamte deutsche Flugverkehr verursachte vor der Corona-Krise jährlich etwa 31,2 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Schon einzelne kurze Flugreisen tragen sehr viel dazu bei: Auf beliebten Strecken wie Berlin–München, Berlin–Köln oder Hamburg–München entstehen auf dem Hin- und Rückflug pro Passagier jeweils etwa 310 Kilo CO2. Würde man diese Strecken stattdessen mit der Bahn fahren, könnten je Reise durchschnittlich mehr als 270 Kilo CO2 eingespart werden. Wenn ein Fünftel der deutschen Flugreisen unterlassen oder mit dem Zug absolviert würden, ließen sich jährlich insgesamt etwa 5,6 Millionen Tonnen CO2 einsparen.

Allein durch diese vier Maßnahmen ließen sich nach den Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft im Jahr rund 33 Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen. Das ist mehr, als Kroatien innerhalb eines Jahres verursacht.

Was Sie tun können

An Überlegungen und Vorschlägen, wie der Einzelne durch sein individuelles Verhalten zum Klimaschutz beitragen kann, fehlt es keineswegs. Die Umweltorganisation Greenpeace gibt zum Beispiel die nachfolgenden „10 Tipps, was Sie für das Klima tun können“: *9

Sauberer Strom - der kommt aus der Dose
Genauso problemlos wie strahlender Atomstrom oder dreckiger Kohlestrom kommt auch sauberer Strom einfach aus der Steckdose. Tun Sie es jetzt, wechseln Sie zu einem unabhängigen Ökostromanbieter. Ein Telefonanruf genügt. Und die Sofort-Maßnahme bringt enorm viel für das Klima. Ein durchschnittlicher 3- bis 4-Personen-Haushalt kann dadurch im Jahr bis zu 1,9 Tonnen CO2 einsparen.

Mobil ohne Auto
Lassen Sie das Auto für den Weg zur Arbeit stehen und fahren Sie mit Fahrrad, Bus oder Bahn zur Arbeit. Wenn Sie pro Tag rund 20 Kilometer Arbeitsweg zurücklegen und Ihr PKW durchschnittlich 10 Liter auf 100 Kilometern verbraucht, sparen Sie jährlich rund 800 Kilogramm CO2, indem Sie auf Bus oder Bahn umsteigen.

Wenn schon Auto, dann keinen Spritfresser
Beim nächsten Autokauf gibt’s nur noch ein Kriterium: Wie viel verbraucht’s? 4-Liter-Autos gibt es schon zu kaufen, 2-Liter-Autos sind möglich. Die Autoindustrie muss merken, dass ihre Spritfresser nicht mehr zeitgemäß sind. Geben Sie dieses Signal auch beim Autokauf an Ihren Händler. Sorgen Sie dafür, dass Riesen-Limousinen, SUVs und andere Spritschlucker den Autohändlern und ihren Besitzern schnellstmöglich peinlich werden!

Fliegen schadet dem Klima
Verzichten Sie wenn möglich aufs Fliegen, auf jeden Fall aber auf Inland- und Kurzstreckenflüge. Ein einziger Hin- und Rückflug Hamburg-München verursacht 340 Kilogramm CO2. Die Bahnfahrt dauert länger, ist aber viel umweltfreundlicher. Wenn Sie einen Flug gar nicht vermeiden können, dann gleichen Sie die verursachten Emissionen über Klimaschutzprojekte bei Organisationen wie Atmosfair aus.

Gemüse-Quiche statt Schweinebraten
Ernähren Sie sich gesund, essen Sie viel Gemüse. Gönnen Sie sich Fleisch am besten nur zu besonderen Gelegenheiten. Wenn Sie sich ausgewogen und fleischreduziert ernähren oder VegetarierIn werden, ersparen Sie dem Weltklima rund 400 Kilogramm CO2 im Jahr. Besonders gut und klimafreundlich sind Lebensmittel aus ökologischem Anbau.

Lecker regional und bio essen
Kaufen Sie biologisch erzeugte Lebensmittel aus Ihrer Region. Beim Bioanbau wird nur etwa die Hälfte an Energie benötigt. Lange Transportwege verursachen überflüssige Emissionen: Eine Mahlzeit von 100 Gramm Spargel aus Chile verursacht allein durch den Transport etwa 1,7 Kilogramm CO2-Ausstoß. Zum Vergleich: Der Spargel aus dem Umland zur Spargelzeit hat nur 60 Gramm CO2 auf dem Gewissen.

Im Schlafzimmer einen kühlen Kopf behalten
Drehen Sie die Heizung runter. Sie sollen nicht im Kalten sitzen, aber die Absenkung der Raumtemperatur um nur ein Grad senkt die CO2-Emissionen eines 4-Personen-Haushalts pro Jahr um rund 350 Kilogramm. Senkt man die Temperatur in der Nacht in der Wohnung generell auf 15-16 Grad, spart das noch einmal knapp 300 Kilogramm CO2.

Nur wo A+++ drauf steht, ist eine effiziente Waschmaschine drin
Kaufen Sie keine Energiefresser. Vermeintliche Schnäppchen erweisen sich als teuer im Verbrauch. Beim Verbrauch können Sie schon nach wenigen Jahren Geld sparen, wenn Sie nur noch super-sparsame neue Elektrogeräte kaufen. Machen Sie Energieeffizienz zum wichtigsten Kriterium für Ihre Kaufentscheidung beim neuen Kühlschrank oder Fernseher.

Weiße Ware, also alle Geräte, die traditionellerweise in Küche und Bad stehen, ist in Effizienzklassen eingeteilt: A +++ bezeichnet die sparsamste Kategorie (nicht etwa A, wie man annehmen könnte), F kennzeichnet die größten Energieschleudern. Ein höherer Anschaffungspreis für effiziente Geräte ist im laufenden Betrieb schnell wieder eingespart.

Bei 40 Grad waschen und in der Sonne trocknen
Waschen Sie Ihre Wäsche mit niedriger Temperatur und voller Maschine. Lassen Sie die Vorwäsche weg und waschen Sie grundsätzlich nur mit 40 Grad, machen Sie höchstens für die weiße Wäsche mal eine Ausnahme. Die meiste Wäsche wird auch bei 30 bis 40 Grad perfekt sauber.
Sparen Sie sich die Anschaffung eines Trockners, und hängen Sie die Wäsche auf. Einsparpotenzial: bis zu 330 Kilogramm CO2 pro Person und Jahr.

Stand-By-Geräte abschalten
Schalten Sie alle elektrischen Geräte ab, die Sie nicht gerade benutzen. Die so genannten Standby-Schaltungen sind praktisch, weil man sich nicht mehr vom Sofa erheben muss, um Fernseher, Videorecorder oder Stereoanlage einzuschalten. Aber die Geräte verbrauchen auch in diesem Zustand Energie - oft unnötig viel. Geräte, die keinen Ausknopf haben, sollten Sie an eine schaltbare Steckerleiste anschließen. Einsparungen pro Haushalt von 300 Kilogramm CO2 sind möglich!

Diese Empfehlungen ließen sich durchaus fortsetzen. Wer die Ausdauer besitzt und weitere Vorschläge sucht, findet zum Beispiel 77 Klimaschutz-Tipps von NABU, dem Naturschutzbund Deutschland. *10 Wir haben also mehr als genug Vorschläge, wie und was wir konkret zum Klimaschutz beitragen können. Die entscheidende Frage aber ist, reden wir nur über Klimaschutz oder handeln wir auch? Fahren wir mit dem Fahrrad zum Bäcker oder weiter mit dem Auto? Kaufen wir biologisch angebautes Obst und Gemüse aus der Region, das gerade Saison hat, oder greifen wir zu Produkten, die eingeflogen und aufwändig gekühlt werden müssen?

Energie sparen, weniger Auto fahren, weniger Plastik verwenden: Gute Vorsätze scheitern oft an unserer Bequemlichkeit. Ob Bequemlichkeit, Geiz oder schlicht Gleichgültigkeit: Wir finden immer neue Ausreden, um unsere Gewohnheiten nicht verändern zu müssen. Als Beispiele für typische Ausreden nennt Gerhard Reese, Professor für Umweltpsychologie an der Universität Koblenz-Landau: *11

  • Das Problem liegt im System. Der einzelne Bürger kommt nicht gegen den Klimawandel an, die Politik ist verantwortlich.
  • Die EU hat nur einen Anteil von zehn Prozent an den globalen Treibhausgasemissionen, Deutschland sogar nur zwei.
  • Verzicht auf Fliegen, Auto fahren, Fleisch essen oder gar E-Mail schreiben: Klimaschutz bedeutet weniger Lebensqualität.
  • Bio-Produkte oder nachhaltige Mode sind lukrative Geschäftsmodelle. Der Trend wird ausgenutzt und vermarktet.
  • Flugscham, "Fridays for Future", Veganismus: Das sind doch alles identitätsstiftende Trends, die bald wieder verschwinden.

Zu jeder dieser Ausreden gibt es genügend Gegenargumente, um sie sachlich zu widerlegen. Ausreden bieten uns aber die Gelegenheit, unser Verhalten nicht ändern zu müssen: Ich würde ja gerne auf das Auto verzichten, aber ich muss pendeln; ich würde ja gerne weniger Fleisch essen, aber leider schmeckt es mir doch zu gut; ich würde ja gerne mit dem Zug verreisen, aber das ist einfach zu umständlich. Ein bisschen klingt das nach dem, was der Soziologe Ulrich Beck in den 1980’er Jahren einmal eine „verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre“ genannt hat. *12 Allerdings war das damals auf junge Väter gemünzt, die sich zu wenig im Haushalt betätigten. Aber auch beim Klimaschutz ist es ungeheuer anstrengend, unsere Verhaltensstarre zu überwinden und uns etwas Neues anzugewöhnen.

Bequemlichkeit versus Klimaschutz

Ein Hindernis für ein besseres ökologisches Verhalten sind auch die persönlichen Kosten, von denen wir wissen oder annehmen, dass sie uns entstehen, wenn wir umweltverantwortlich handeln. Diese Kosten sind dabei nicht nur monetäre, sondern es geht auch um den Verlust von Gewohnheiten, Erlebnissen, Genuss, Zeit, Status, Komfort etc. Sind diese Kosten zu hoch, schwindet unsere Bereitschaft, sie in Kauf zu nehmen.

Selbst bei Jugendlichen siegt häufig die Bequemlichkeit über den Klimaschutz. Dies zeigt eine Jugend-Studie der Hertie School in Berlin. *13 Zwar sagen 56 Prozent der mehr als 1000 befragten Jugendlichen, dass der Klimawandel zu ihren größten Zukunftssorgen gehört. Aber: Mehr als 80 Prozent sind nicht bereit, dauerhaft auf ein eigenes Auto oder auf tierische Produkte zu verzichten. Die Forscher kommen zum Fazit: Es gibt zwar ein gewisses Umdenken im Vergleich zur älteren Bevölkerung. Aber auch junge Menschen wollen oft nicht auf Bequemlichkeit und Komfort verzichten.

Um unser Verhalten in Richtung mehr Umweltschutz zu ändern, ist wohl noch ein langer und dorniger Weg erforderlich. Wir kommen hier nur in kleinen Schritten voran. Nur allein über Verhaltensänderungen bekämpfen wir nicht den Klimawandel. Die Politik muss für alle Bürgerinnen und Bürger klare und realistische Vorgaben machen und ebenso Anreize setzen. Drei Beispiele: Mehr Fahrradfahren werden wir wohl nur dann, wenn die Infrastruktur so wie in Kopenhagen oder in Amsterdam attraktiv dafür ist und das Fahrradfahren noch mehr gesellschaftliche Anerkennung findet. Weniger Plastik verwenden wir, wenn die Politik wie es jetzt erfolgt ist, Plastiktüten in Supermärkten verbietet. Auf Kurzflüge verzichten wir, wenn die Bahn billiger, zuverlässiger und schneller ist.

Das Science Media Center Germany hat Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen dazu befragt, was der Einzelne zum Klimaschutz beitragen kann – und wie man die Menschen dazu bewegen kann, endlich mit dem Handeln anzufangen? *14 Schließen wir dieses Kapitel mit ausgewählten Auszügen aus diesen Stellungnahmen:

Dr. Michael Kopatz, Projektleiter Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Wuppertal

„Verhältnisse ändern Verhalten: Strukturen müssen sich so verändern, damit Öko zum Normalfall wird. Die Produkte im Supermarkt können nachhaltiger werden, ohne dass sich jede und jeder über das nachhaltigste Produkt oder moralisch korrekten Konsum den Kopf zerbrechen muss.“

Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge, Professorin für Sozialwissenschaften in den marinen Tropen, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie GmbH (ZMT), Bremen

„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das sich gerne von Strukturen und Alltagsregeln leiten lässt. Verhaltensänderung von vielen zu erzielen, bedarf dem Anpassen unserer rechtlichen, ökonomischen und sozial als akzeptiert geltenden Regeln und Normen. Hier tragen Staat und Markt eine große Verantwortung.“

„Massive gesellschaftliche Transformationsprozesse gehen entweder auf einschneidende historische Ereignisse zurück, also ökologische Krisen, Kriege, Hungersnöte, oder aber auf sukzessive gesellschaftliche Lernprozesse, die Lebensstile, Moden und soziale Schichten übergreifend prägen und Veränderungen im alltäglichen Verhalten, in den Routinen der Menschen als anstrebenswert erscheinen lassen und sie strukturell ermöglichen.“

Prof. Dr. Andreas Ernst, Professor für Umweltsystemanalyse/Umweltpsychologie, Center for Environmental Systems Research, Universität Kassel

„Alle energie- und damit klimarelevanten Verhaltensweisen wie Mobilität, Wohnen oder Ernährung sind Gewohnheiten. Wir wissen selbst, wie schwer es ist, Gewohnheiten zu ändern. Hier helfen nur Bündel von unterstützenden, aber auch lenkenden Maßnahmen, die sowohl im Kopf als auch außerhalb des Kopfes ansetzen. Es ist hier genauso wichtig, durch ernsthafte Vorbilder in Freundeskreis, Politik und Wirtschaft den Stellenwert von Klimaschutz vor Augen geführt zu bekommen, wie die faktische Verfügbarkeit von sicheren Fahrradwegen oder öffentlichem Nahverkehr.“


Fußnoten

*2 Dennis L. Meadows u.a.: Die Grenzen des Wachstums. Club of Rome. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Hamburg 1972
*8 Ebd.
*12 Vgl. Mareen Linnartz: Ich würde ja gerne, aber …, in: Süddeutsche Zeitung vom 31.12.2021/1./2. Januar 2022, S. 47

Quelle: Thies Claussen

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In den 1960er Jahren rückte das Thema Klimawandel schon in das öffentliche Bewusstsein.  (Foto: AdobeStock/Animaflora PicsStock)
In den 1960er Jahren rückte das Thema Klimawandel schon in das öffentliche Bewusstsein. (Foto: AdobeStock/Animaflora PicsStock)

Scheitert der Klimaschutz?

Der Kraillinger Dr. Thies Claussen war Ministerialdirigent im Bayerischen Wirtschaftsministerium und zuletzt Vizechef der LfA Förderbank Bayern. Inzwischen betätigt er sich als Zukunftsforscher und Autor. Sein sechstes Buch erscheint im März 2022 und hat den Titel „Im Wandel der Zeit. Wo stehen wir? Wohin gehen wir?“.

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Kapitel "Scheitert der Klimaschutz an unserer Bequemlichkeit?"

In den 1960er Jahren gab es noch keine Greta Thunberg. Die schwedische Schülerin hat erst seit 2018 jeden Freitag vor dem schwedischen Parlament für den Klimaschutz gestreikt und mit „Fridays for Future“ eine weltweite Bewegung zum Schutz des Klimas ausgelöst.

Club of Rome

In den 1960er Jahren rückte das Thema Klimawandel erst langsam in das öffentliche Bewusstsein. 1968 wurde in Rom der „Club of Rome“ gegründet, ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern, Wirtschaftsführern und Politikern aus mehr als 53 Ländern. *1 1972 veröffentlichte der Club of Rome seinen Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ und warnte darin vor einem ökologischen Niedergang, wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält. *2

Autor Dr. Thies Claussen aus Krailling
Autor Dr. Thies Claussen aus Krailling

Die Geschichte der Weltklimakonferenzen begann erst zwanzig Jahre später. Auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 einigten sich 154 Staaten, die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre auf ein Niveau zu stabilisieren, das eine von Menschen verursachte „gefährliche Störung“ des Klimasystems verhindert. Konkrete Ziele und Maßnahmen wurden in der Konvention damals allerdings noch nicht festgelegt. *3

Ein weiterer Meilenstein war das „Kyoto-Protokoll“, das 1997 verabschiedet wurde, aber erst 2005 in Kraft trat und 2012 endete. Darin verpflichteten sich fast alle Industriestaaten erstmals rechtsverbindlich zur Reduzierung der Treibhausgase. Diese sollten bis 2012 um rund 5 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken.

Am 12. Dezember 2015 beschloss die Weltgemeinschaft das Pariser Klimaabkommen als Nachfolgedokument des Kyoto-Protokolls. Darin wurde vereinbart, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, möglichst sogar auf unter 1,5 Grad.

Lange und beschwerlich

Nach dem langen und beschwerlichen Weg der Weltklimakonferenzen konnte nun im November 2021 bei der 26. Weltklimakonferenz in Glasgow erstmals erreicht werden, dass sich alle 197 beteiligten Staaten auf eine beschleunigte globale Energiewende weg von der Kohle und auf den Abbau von Subventionen für fossile Energien (Öl, Kohle, Gas) geeinigt haben, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. *4 Künftig soll weltweit jährlich und nicht nur alle fünf Jahre überprüft werden, wie groß die Lücke zum 1,5 Grad-Ziel noch ist. Deutschland will schon 2045 klimaneutral werden und bis 2030 den Treibhausgasausstoß um mindestens 65 Prozent senken.

Wie die Geschichte der Weltklimakonferenzen zeigt, ist zwar bisher viel erreicht worden, aber dennoch bleiben viele Fragen und Probleme offen. Im globalen Maßstab befinden wir uns immer noch in der größten Kohle-Renaissance der Industriegeschichte. Allein in China sind 200 neue Kohlekraftwerke im Bau. *5 Für viele gilt die 1,5 Grad-Begrenzung als nicht mehr realisierbare Zielmarke. Ohne weitergehende Veränderungen nähern wir uns eher einer Erhöhung um 3 Grad und mehr.

Folgen

Schon jetzt sind die Folgen des Klimawandels deutlich zu spüren. Experten sind sich sicher, dass durch die Erderwärmung Extremwetterereignisse wie Dürre, Hitze, Starkregen, Stürme, Überschwemmungen und sogar Tornados zunehmen werden. *6 Die Zerstörungen solcher Wetterextreme können enorm sein. Menschen sterben, verlieren ihr Hab und Gut oder ihre Heimat. Der wirtschaftliche Schaden ist immens. Bei der Hochwasserkatastrophe Mitte Juli 2021 in Deutschland starben mehr als 180 Menschen. Die Flut verursachte zudem Sachschäden in Milliardenhöhe.

Natürlich muss die Politik die entscheidenden Beiträge zum Klimaschutz leisten. Dies gilt zum Beispiel für die Bereiche Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr oder Landwirtschaft. Aber auch jede und jeder Einzelne muss zum Klimaschutz beitragen. Viele Stellschrauben für Treibhausgase kann der Einzelne zwar nicht beeinflussen. Trotzdem kann jeder seinen CO2--Rucksack durch sein Konsumverhalten im Alltag verringern.

Kleine Veränderungen

Das Institut der deutschen Wirtschaft hat berechnet, dass sich schon durch kleinere Veränderungen des Konsumverhaltens in Deutschland im Jahr rund 33 Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen ließen. *7 Dies belegt das Institut der deutschen Wirtschaft mit den nachfolgenden vier Beispielen: *8

Lebensmittelabfälle: Jedes Jahr landen in Deutschland zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll, 50 Prozent davon allein bei Privathaushalten. Von den Haushaltsabfällen ist knapp die Hälfte Obst und Gemüse – die meist aufwendig angebaut wurden. Mit den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen hat Deutschland 2015 eine Halbierung der Abfälle beschlossen.

Wenn jeder Bundesbürger jene 75 Kilo Lebensmittelabfälle, die durchschnittlich pro Jahr und Kopf anfallen, durch bessere Planung und Abfallvermeidung um die Hälfte reduziert, würden pro Person jährlich 74 Kilo weniger Treibhausgasemissionen verursacht. Und wenn dies allen Einwohnern in Deutschland gelänge, könnten weltweit mehr als sechs Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden. Zum Vergleich: Der innerdeutsche Flugverkehr hat 2019 etwa zwei Millionen Tonnen an Kohlendioxid verursacht.
Emissionsarme Proteinquellen: Im Ernährungsmix sind vor allem importierte Lebensmittel und Fleisch emissionsintensiv. Ein Kilogramm Rindfleisch verursacht rund 30 Kilo CO2-Äquivalente, bei Schweinefleisch und Geflügel sind es jeweils vier Kilo. Für pflanzliche Ersatzprodukte liegt der Wert niedriger: Bei derselben Menge Soja beispielsweise entstehen nur knapp 1,2 Kilo Treibhausgase.

Gewohnheiten ändern

Ernährung: Jeder Deutsche verzehrte 2020 im Schnitt rund 57 Kilo Fleisch, das umgerechnet etwa 630 Kilo CO2-Äquivalente bedeutet. Wenn der Fleischverzehr um 20 Prozent sinkt – die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt mit minus 50 bis 75 Prozent deutlich mehr – und durch pflanzliche Produkte ersetzt wird, würde jede Person rund 120 Kilo Emissionen weniger pro Jahr verursachen. Auf die deutsche Bevölkerung gerechnet wären so Emissionsminderungen von knapp zehn Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten möglich.

Kleidung: Im Durchschnitt kauft jeder Deutsche 56 Kleidungsstücke im Jahr, die in der Herstellung insgesamt rund 680 Kilo CO2-Äquivalente verursachen. Schätzungsweise ein Fünftel der neuen Garderobe wird gar nicht oder kaum getragen. Vor allem Saisonartikel landen schnell im Müll oder in der Altkleidersammlung.

Würden die Verbraucher hierzulande jährlich 20 Prozent weniger in neue Kleidung investieren – das entspricht elf Kleidungsstücken – und stattdessen Secondhandware kaufen, könnte jeder circa 140 Kilo Treibhausgase einsparen. Wenn das alle machen, könnten die Deutschen jährlich mehr als elf Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen.

Mobilität: Bahn statt Flugzeug: Der gesamte deutsche Flugverkehr verursachte vor der Corona-Krise jährlich etwa 31,2 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Schon einzelne kurze Flugreisen tragen sehr viel dazu bei: Auf beliebten Strecken wie Berlin–München, Berlin–Köln oder Hamburg–München entstehen auf dem Hin- und Rückflug pro Passagier jeweils etwa 310 Kilo CO2. Würde man diese Strecken stattdessen mit der Bahn fahren, könnten je Reise durchschnittlich mehr als 270 Kilo CO2 eingespart werden. Wenn ein Fünftel der deutschen Flugreisen unterlassen oder mit dem Zug absolviert würden, ließen sich jährlich insgesamt etwa 5,6 Millionen Tonnen CO2 einsparen.

Allein durch diese vier Maßnahmen ließen sich nach den Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft im Jahr rund 33 Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen. Das ist mehr, als Kroatien innerhalb eines Jahres verursacht.

Was Sie tun können

An Überlegungen und Vorschlägen, wie der Einzelne durch sein individuelles Verhalten zum Klimaschutz beitragen kann, fehlt es keineswegs. Die Umweltorganisation Greenpeace gibt zum Beispiel die nachfolgenden „10 Tipps, was Sie für das Klima tun können“: *9

Sauberer Strom - der kommt aus der Dose
Genauso problemlos wie strahlender Atomstrom oder dreckiger Kohlestrom kommt auch sauberer Strom einfach aus der Steckdose. Tun Sie es jetzt, wechseln Sie zu einem unabhängigen Ökostromanbieter. Ein Telefonanruf genügt. Und die Sofort-Maßnahme bringt enorm viel für das Klima. Ein durchschnittlicher 3- bis 4-Personen-Haushalt kann dadurch im Jahr bis zu 1,9 Tonnen CO2 einsparen.

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Lassen Sie das Auto für den Weg zur Arbeit stehen und fahren Sie mit Fahrrad, Bus oder Bahn zur Arbeit. Wenn Sie pro Tag rund 20 Kilometer Arbeitsweg zurücklegen und Ihr PKW durchschnittlich 10 Liter auf 100 Kilometern verbraucht, sparen Sie jährlich rund 800 Kilogramm CO2, indem Sie auf Bus oder Bahn umsteigen.

Wenn schon Auto, dann keinen Spritfresser
Beim nächsten Autokauf gibt’s nur noch ein Kriterium: Wie viel verbraucht’s? 4-Liter-Autos gibt es schon zu kaufen, 2-Liter-Autos sind möglich. Die Autoindustrie muss merken, dass ihre Spritfresser nicht mehr zeitgemäß sind. Geben Sie dieses Signal auch beim Autokauf an Ihren Händler. Sorgen Sie dafür, dass Riesen-Limousinen, SUVs und andere Spritschlucker den Autohändlern und ihren Besitzern schnellstmöglich peinlich werden!

Fliegen schadet dem Klima
Verzichten Sie wenn möglich aufs Fliegen, auf jeden Fall aber auf Inland- und Kurzstreckenflüge. Ein einziger Hin- und Rückflug Hamburg-München verursacht 340 Kilogramm CO2. Die Bahnfahrt dauert länger, ist aber viel umweltfreundlicher. Wenn Sie einen Flug gar nicht vermeiden können, dann gleichen Sie die verursachten Emissionen über Klimaschutzprojekte bei Organisationen wie Atmosfair aus.

Gemüse-Quiche statt Schweinebraten
Ernähren Sie sich gesund, essen Sie viel Gemüse. Gönnen Sie sich Fleisch am besten nur zu besonderen Gelegenheiten. Wenn Sie sich ausgewogen und fleischreduziert ernähren oder VegetarierIn werden, ersparen Sie dem Weltklima rund 400 Kilogramm CO2 im Jahr. Besonders gut und klimafreundlich sind Lebensmittel aus ökologischem Anbau.

Lecker regional und bio essen
Kaufen Sie biologisch erzeugte Lebensmittel aus Ihrer Region. Beim Bioanbau wird nur etwa die Hälfte an Energie benötigt. Lange Transportwege verursachen überflüssige Emissionen: Eine Mahlzeit von 100 Gramm Spargel aus Chile verursacht allein durch den Transport etwa 1,7 Kilogramm CO2-Ausstoß. Zum Vergleich: Der Spargel aus dem Umland zur Spargelzeit hat nur 60 Gramm CO2 auf dem Gewissen.

Im Schlafzimmer einen kühlen Kopf behalten
Drehen Sie die Heizung runter. Sie sollen nicht im Kalten sitzen, aber die Absenkung der Raumtemperatur um nur ein Grad senkt die CO2-Emissionen eines 4-Personen-Haushalts pro Jahr um rund 350 Kilogramm. Senkt man die Temperatur in der Nacht in der Wohnung generell auf 15-16 Grad, spart das noch einmal knapp 300 Kilogramm CO2.

Nur wo A+++ drauf steht, ist eine effiziente Waschmaschine drin
Kaufen Sie keine Energiefresser. Vermeintliche Schnäppchen erweisen sich als teuer im Verbrauch. Beim Verbrauch können Sie schon nach wenigen Jahren Geld sparen, wenn Sie nur noch super-sparsame neue Elektrogeräte kaufen. Machen Sie Energieeffizienz zum wichtigsten Kriterium für Ihre Kaufentscheidung beim neuen Kühlschrank oder Fernseher.

Weiße Ware, also alle Geräte, die traditionellerweise in Küche und Bad stehen, ist in Effizienzklassen eingeteilt: A +++ bezeichnet die sparsamste Kategorie (nicht etwa A, wie man annehmen könnte), F kennzeichnet die größten Energieschleudern. Ein höherer Anschaffungspreis für effiziente Geräte ist im laufenden Betrieb schnell wieder eingespart.

Bei 40 Grad waschen und in der Sonne trocknen
Waschen Sie Ihre Wäsche mit niedriger Temperatur und voller Maschine. Lassen Sie die Vorwäsche weg und waschen Sie grundsätzlich nur mit 40 Grad, machen Sie höchstens für die weiße Wäsche mal eine Ausnahme. Die meiste Wäsche wird auch bei 30 bis 40 Grad perfekt sauber.
Sparen Sie sich die Anschaffung eines Trockners, und hängen Sie die Wäsche auf. Einsparpotenzial: bis zu 330 Kilogramm CO2 pro Person und Jahr.

Stand-By-Geräte abschalten
Schalten Sie alle elektrischen Geräte ab, die Sie nicht gerade benutzen. Die so genannten Standby-Schaltungen sind praktisch, weil man sich nicht mehr vom Sofa erheben muss, um Fernseher, Videorecorder oder Stereoanlage einzuschalten. Aber die Geräte verbrauchen auch in diesem Zustand Energie - oft unnötig viel. Geräte, die keinen Ausknopf haben, sollten Sie an eine schaltbare Steckerleiste anschließen. Einsparungen pro Haushalt von 300 Kilogramm CO2 sind möglich!

Diese Empfehlungen ließen sich durchaus fortsetzen. Wer die Ausdauer besitzt und weitere Vorschläge sucht, findet zum Beispiel 77 Klimaschutz-Tipps von NABU, dem Naturschutzbund Deutschland. *10 Wir haben also mehr als genug Vorschläge, wie und was wir konkret zum Klimaschutz beitragen können. Die entscheidende Frage aber ist, reden wir nur über Klimaschutz oder handeln wir auch? Fahren wir mit dem Fahrrad zum Bäcker oder weiter mit dem Auto? Kaufen wir biologisch angebautes Obst und Gemüse aus der Region, das gerade Saison hat, oder greifen wir zu Produkten, die eingeflogen und aufwändig gekühlt werden müssen?

Energie sparen, weniger Auto fahren, weniger Plastik verwenden: Gute Vorsätze scheitern oft an unserer Bequemlichkeit. Ob Bequemlichkeit, Geiz oder schlicht Gleichgültigkeit: Wir finden immer neue Ausreden, um unsere Gewohnheiten nicht verändern zu müssen. Als Beispiele für typische Ausreden nennt Gerhard Reese, Professor für Umweltpsychologie an der Universität Koblenz-Landau: *11

  • Das Problem liegt im System. Der einzelne Bürger kommt nicht gegen den Klimawandel an, die Politik ist verantwortlich.
  • Die EU hat nur einen Anteil von zehn Prozent an den globalen Treibhausgasemissionen, Deutschland sogar nur zwei.
  • Verzicht auf Fliegen, Auto fahren, Fleisch essen oder gar E-Mail schreiben: Klimaschutz bedeutet weniger Lebensqualität.
  • Bio-Produkte oder nachhaltige Mode sind lukrative Geschäftsmodelle. Der Trend wird ausgenutzt und vermarktet.
  • Flugscham, "Fridays for Future", Veganismus: Das sind doch alles identitätsstiftende Trends, die bald wieder verschwinden.

Zu jeder dieser Ausreden gibt es genügend Gegenargumente, um sie sachlich zu widerlegen. Ausreden bieten uns aber die Gelegenheit, unser Verhalten nicht ändern zu müssen: Ich würde ja gerne auf das Auto verzichten, aber ich muss pendeln; ich würde ja gerne weniger Fleisch essen, aber leider schmeckt es mir doch zu gut; ich würde ja gerne mit dem Zug verreisen, aber das ist einfach zu umständlich. Ein bisschen klingt das nach dem, was der Soziologe Ulrich Beck in den 1980’er Jahren einmal eine „verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre“ genannt hat. *12 Allerdings war das damals auf junge Väter gemünzt, die sich zu wenig im Haushalt betätigten. Aber auch beim Klimaschutz ist es ungeheuer anstrengend, unsere Verhaltensstarre zu überwinden und uns etwas Neues anzugewöhnen.

Bequemlichkeit versus Klimaschutz

Ein Hindernis für ein besseres ökologisches Verhalten sind auch die persönlichen Kosten, von denen wir wissen oder annehmen, dass sie uns entstehen, wenn wir umweltverantwortlich handeln. Diese Kosten sind dabei nicht nur monetäre, sondern es geht auch um den Verlust von Gewohnheiten, Erlebnissen, Genuss, Zeit, Status, Komfort etc. Sind diese Kosten zu hoch, schwindet unsere Bereitschaft, sie in Kauf zu nehmen.

Selbst bei Jugendlichen siegt häufig die Bequemlichkeit über den Klimaschutz. Dies zeigt eine Jugend-Studie der Hertie School in Berlin. *13 Zwar sagen 56 Prozent der mehr als 1000 befragten Jugendlichen, dass der Klimawandel zu ihren größten Zukunftssorgen gehört. Aber: Mehr als 80 Prozent sind nicht bereit, dauerhaft auf ein eigenes Auto oder auf tierische Produkte zu verzichten. Die Forscher kommen zum Fazit: Es gibt zwar ein gewisses Umdenken im Vergleich zur älteren Bevölkerung. Aber auch junge Menschen wollen oft nicht auf Bequemlichkeit und Komfort verzichten.

Um unser Verhalten in Richtung mehr Umweltschutz zu ändern, ist wohl noch ein langer und dorniger Weg erforderlich. Wir kommen hier nur in kleinen Schritten voran. Nur allein über Verhaltensänderungen bekämpfen wir nicht den Klimawandel. Die Politik muss für alle Bürgerinnen und Bürger klare und realistische Vorgaben machen und ebenso Anreize setzen. Drei Beispiele: Mehr Fahrradfahren werden wir wohl nur dann, wenn die Infrastruktur so wie in Kopenhagen oder in Amsterdam attraktiv dafür ist und das Fahrradfahren noch mehr gesellschaftliche Anerkennung findet. Weniger Plastik verwenden wir, wenn die Politik wie es jetzt erfolgt ist, Plastiktüten in Supermärkten verbietet. Auf Kurzflüge verzichten wir, wenn die Bahn billiger, zuverlässiger und schneller ist.

Das Science Media Center Germany hat Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen dazu befragt, was der Einzelne zum Klimaschutz beitragen kann – und wie man die Menschen dazu bewegen kann, endlich mit dem Handeln anzufangen? *14 Schließen wir dieses Kapitel mit ausgewählten Auszügen aus diesen Stellungnahmen:

Dr. Michael Kopatz, Projektleiter Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Wuppertal

„Verhältnisse ändern Verhalten: Strukturen müssen sich so verändern, damit Öko zum Normalfall wird. Die Produkte im Supermarkt können nachhaltiger werden, ohne dass sich jede und jeder über das nachhaltigste Produkt oder moralisch korrekten Konsum den Kopf zerbrechen muss.“

Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge, Professorin für Sozialwissenschaften in den marinen Tropen, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie GmbH (ZMT), Bremen

„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das sich gerne von Strukturen und Alltagsregeln leiten lässt. Verhaltensänderung von vielen zu erzielen, bedarf dem Anpassen unserer rechtlichen, ökonomischen und sozial als akzeptiert geltenden Regeln und Normen. Hier tragen Staat und Markt eine große Verantwortung.“

„Massive gesellschaftliche Transformationsprozesse gehen entweder auf einschneidende historische Ereignisse zurück, also ökologische Krisen, Kriege, Hungersnöte, oder aber auf sukzessive gesellschaftliche Lernprozesse, die Lebensstile, Moden und soziale Schichten übergreifend prägen und Veränderungen im alltäglichen Verhalten, in den Routinen der Menschen als anstrebenswert erscheinen lassen und sie strukturell ermöglichen.“

Prof. Dr. Andreas Ernst, Professor für Umweltsystemanalyse/Umweltpsychologie, Center for Environmental Systems Research, Universität Kassel

„Alle energie- und damit klimarelevanten Verhaltensweisen wie Mobilität, Wohnen oder Ernährung sind Gewohnheiten. Wir wissen selbst, wie schwer es ist, Gewohnheiten zu ändern. Hier helfen nur Bündel von unterstützenden, aber auch lenkenden Maßnahmen, die sowohl im Kopf als auch außerhalb des Kopfes ansetzen. Es ist hier genauso wichtig, durch ernsthafte Vorbilder in Freundeskreis, Politik und Wirtschaft den Stellenwert von Klimaschutz vor Augen geführt zu bekommen, wie die faktische Verfügbarkeit von sicheren Fahrradwegen oder öffentlichem Nahverkehr.“


Fußnoten

*2 Dennis L. Meadows u.a.: Die Grenzen des Wachstums. Club of Rome. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Hamburg 1972
*8 Ebd.
*12 Vgl. Mareen Linnartz: Ich würde ja gerne, aber …, in: Süddeutsche Zeitung vom 31.12.2021/1./2. Januar 2022, S. 47

Quelle: Thies Claussen

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