Der WürmTaler – eine Regionalwährung zur Stärkung der Wirtschaft vor Ort
Nach Finanzkrisen, Bankenkrisen und Globalisierungskrise werden immer öfter Forderungen nach alternativen Wirtschaftsformen laut. Gemeinwohlökonomie, Postwachstumsökonomie und Transformation werden ernsthaft diskutiert und bereits umgesetzt. Die neoliberale Marktwirtschaft der letzten Jahrzehnte scheint gescheitert. In diesem Konsens gibt es eine Initiative, im Würmtal eine Regionalwährung einzuführen.
„Unser Würmtal“ sprach mit Karl Heinz Jobst, einem der Initiatoren.
Warum brauchen wir im Würmtal zusätzlich zum Euro eine regionale Währung?
K. H. JOBST: „Die globalisierte Weltwirtschaft und die ungeregelten Finanzmärkte sind äußerst instabil. Kritische Wirtschaftsexperten erwarten in Kürze eine Währungsreform. Die Frage ist: Wie werden in diesem Fall die Grundbedürfnisse der Menschen abdeckt? Der örtliche Handel ist seit einigen Jahren der Großstadt-Konkurrenz und den Online-Konzernen nicht mehr gewachsen und blutet stetig aus. Handelsketten verdrängen kleine Geschäfte, bestimmen zunehmend die Ortsbilder, dominieren das Einheitsangebot und die Gemeinden verlieren mit ihrer Vielfalt auch ihre Attraktivität. Eine Regionalwährung im Würmtal als Krisen-Backup zum Euro und gleichzeitig als dauerhafte Stütze für den heimischen Mittelstand ist die Lösung.“
Darf man Geld eigentlich so einfach drucken und in Umlauf bringen?
K. H. JOBST: „Ja, Geld drucken ist nicht illegal. Wir müssen wissen, dass 85% allen Geldes in der Eurozone lediglich virtuelle Kredite sind, die von Privatbanken vergeben werden. Durch das Wachstumsdogma angefeuert, wird Geld ständig vermehrt, ohne dass Werte dahinterstehen. Allerdings erwirtschaften diese Schulden Zinsen, die zu einer automatischen Konzentration des Geldes bei Banken und Investoren führen. Aber nicht nur Banken dürfen Geld schöpfen. Jedermann darf Geld in überschaubarem Maß drucken und komplementär in Umlauf bringen.
Geld ist im Prinzip nichts anderes als eine Vereinbarung darüber, wie hoch der Wert einer Leistung oder eines Produktes ist. Zwei Beispiele hierfür: Der Mindestwert einer Arbeitsstunde beträgt derzeit 9,35 € und ein Brot kostet etwa 5 €. Dieses Brot könnte man aber auch anstatt zu bezahlen, gegen eine halbe Stunde Nachhilfeunterricht tauschen. Weil aber der Bäcker sein Brot kaum gegen ein halbes Pfund Aufschnitt vom Metzger tauschen wird, wird der Sinn von Regionalgeld deutlich. Aber zusätzlich zu den vergleichbaren Werten, kommen lokale und regionale Interessen und Ziele ins Spiel.“
Der Euro ist doch ein stabiles Zahlungsmittel. Was ist so schlecht am Euro und an der globalen Wirtschaft?
K. H. JOBST: „Die Globalisierung hat die neoliberale Wirtschaft auf die Spitze getrieben. Die sogenannten „Märkte“ regulieren sich eben nicht selbst, wie versprochen, sondern sie eskalieren uferlos. Der weltweite Online-Handel explodiert, häuft Kapital in unvorstellbarem Ausmaß bei wenigen Oligarchen an und zahlt aber kaum Steuern, mit denen Dinge des Gemeinwohls, also Infrastruktur, Soziales, Bildung, Gesundheitswesen usw. finanziert werden können. Dass aber die gesamte Wirtschaft nicht dem Profit, sondern ausdrücklich vor allem dem Gemeinwohl zu dienen hat, steht nicht nur im Artikel 151 der Bayerischen Verfassung. Wegen der Eskalation der Wirtschaft wird der Ruf nach einer Rückkehr zur Regionalität als Gegenstück zur Globalisierung immer lauter. Sogar die privilegierte Metropolregion München, die alles unternimmt um im globalen Wettstreit mithalten zu können, hat vor kurzem erkannt, dass ihre Zukunft auch und vor allem von identitätsstiftender Regionalität abhängt und wirbt dafür mit Werbemitteln.
Umso wichtiger ist es, dass gerade kleinräumige Strukturen wie Gemeinden oder Landkreise ihre Wurzeln mit Nahrung versorgen, damit sie wirtschaftlich, sozial und kulturell blühen können. Ihre Wurzeln, das sind Handwerk, Handel, Gastronomie und Dienstleistung, aber auch funktionierende Gemeindeverwaltungen, die Verständnis für die Bedürfnisse ihrer steuerzahlenden Unternehmen haben.“
Die Würmtalgemeinden profitieren doch auch von der Metropolregion. Kommt jetzt eine Abspaltung von München auf uns zu?
K. H. JOBST: „Nein, soweit wird es nicht kommen! Aber die Stadt München mit ihrem attraktiven Konsum-Angebot und in begrenztem Maß auch die Stadt Starnberg mit ihrer hohen Freizeitqualität ziehen bedauerlicherweise große Geldmengen aus dem Würmtal ab. Dieses Geld kehrt nicht mehr zurück, sondern wird außerhalb angehäuft. Für das Würmtal heißt das in Konsequenz: den Zusammenhalt der Unternehmen stärken, Kooperationen mehren und erkennen, dass mit einer gemeinsamen Identität und einem kräftigen Wir-Gefühl eine gute Zukunft möglich ist. Wir sollten Mittel und Wege finden, wie das Geld der Menschen in unserer Region zum eigenen Vorteil im Würmtal selbst zirkuliert.“
Und diese Funktion soll nun der „WürmTaler“ übernehmen?
K. H. JOBST: „Richtig! Es gab in der Vergangenheit den anerkennenswerten Versuch, mit einem Würmtaler-Gutscheinsystem diese Ziele zu erreichen. Leider war die Akzeptanz bei Verbrauchern und Unternehmen nicht groß genug, um wirksam und spürbar zu werden. Mit dem Arbeitsnamen „WürmTaler“ soll nun eine Regionalwährung an den Start gehen, mit dem die bekannten Fehler vermieden und neue Erfahrungen eingebracht werden sollen. Für technische und logistische Unterstützung kann auf die Erfahrung von erfolgreichen Vorreitern (Chiemgauer, Ennstaler) zugegriffen werden.“
Wie soll der „WürmTaler“ neben dem Euro funktionieren. Ist das nicht zu kompliziert?
K. H. JOBST: „Es ist im Prinzip ganz einfach. Eine bestimmte Summe Euro wird als Abonnement in WürmTaler umgetauscht. Das neue Geld wird in fälschungssicheren Geldscheinen ausgegeben.
Die umgetauschten Euro werden bei einer kooperierenden Bank hinterlegt. Sie dürfen nicht weiterverwendet oder ausgegeben werden. WürmTaler können jederzeit wieder zurückgetauscht werden.
Größere Summen „WürmTaler“ anzuhäufen ist nicht sinnvoll. Das Geld muss so oft wie möglich innerhalb des Geltungsbereichs zirkulieren. Deswegen gibt es einen Rücktauschverlust, wenn das Regionalgeld längere Zeit nicht genutzt wurde oder zurückgetauscht wird. Der Geltungsbereich wird definiert durch die Verbreitung der Akzeptanzstellen und der Abonnenten (Konsumenten). Außerhalb dieses Geltungsbereichs ist der „WürmTaler“ wertlos.
Statistiken aus erfolgreichen Regionen besagen, dass die Scheine 3-4mal pro Jahr innerhalb der Region zirkulieren. Die Folge ist eine signifikante Kaufkraftbindung und -lenkung. Akzeptanz- und Umtauschstellen ziehen regelmäßig neue Kundschaft an und binden diese durch Werbenutzen und laufende Kommunikation. Wer am Regionalgeld teilnimmt, generiert daraus außerdem einen beträchtlichen Imagegewinn, der durch Kommunikation in Broschüren, auf der Internetplattform und in Anzeigen generiert wird. 75-80% der Unternehmen tauschen das Regionalgeld nie in Euro zurück, sondern verwenden diese immer wieder zum Einkaufen in der Region. Sie tragen damit erheblich zum Wertschöpfungskreislauf und Wertschöpfungsgewinn bei.
60% der Regionalgeld-Abonnenten werden dazu animiert, deutlich mehr innerhalb als außerhalb der Region zu konsumieren.
Eine Eintauschgebühr (2-3%) sorgt für eine soziale Komponente, die im Prinzip Allen zugutekommt. Denn entweder der Trägerverein legt fest oder jeder Abonnent von WürmTalern kann selbst bestimmen, wie die Eintauschgebühr oder der Rücktauschverlust verwendet werden soll. Das können Vereine, soziale Einrichtungen oder spezielle Projekte sein. So wird dem Gemeinwohl kontinuierlich Rechnung getragen, nicht aber einem Kapitalzuwachs. Dies ist im Übrigen auch ein wesentliches Ziel der immer mehr Verbreitung findenden Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ www.ecogood.org). Das Regionalgeldmodell wird über Jahresgebühren der Akzeptanzunternehmen, Sponsoring, Förderungen oder Partnerschaften finanziert.“
Wie rechnet sich das Regionalgeld? Gibt es dafür Beispiele?
K. H. JOBST: „Ja es gibt statistische Erfahrungswerte, die anschaulich auf eine überschaubare und mit der Gemeinde Gauting vergleichbaren Region mit 10.000 Haushalten heruntergerechnet wurden. 10% der Haushalte (1.000) werden zu Abonnenten. Mit einer durchschnittlichen Abosumme von 170 ergibt sich eine Gesamt-Abosumme von 170.000 pro Monat. Bei einer 4maligen Zirkulation pro Monat ergibt sich pro Jahr eine Umlaufsumme in Höhe von 8,16 Mio. in Regionalgeld.
Anders ausgedrückt: In der Gemeinde Gauting zirkulieren ganz bewusst ca. 8 Mio. eurogedeckte WürmTaler, mit denen Arbeitsplätze und Existenzen gesichert, die Attraktivität der Region erhöht und gleichzeitig Gutes für soziale Zwecke bewirkt wird. Zum Beispiel stehen bei 3 % Umtauschgebühr von 170.000 sage und schreibe 5.100 pro Monat für Projekte des Gemeinwohls zur Verfügung. Auch beim Rücktausch in Euro wird ein Umtauschverlust berechnet, der den Sozialanteil erhöht. Zahlen, die sich sehen lassen können und die für weitere Gemeinden des Würmtals ohne Weiteres skaliert werden können, je nachdem wie groß der Wirkungsbereich definiert werden soll.“
Das klingt einleuchtend. Wie soll es denn jetzt weitergehen und wann kommt der erste WürmTaler in Umlauf?
K. H. JOBST: „Wir werden zunächst einen Trägerverein gründen. Der Kreis der Gründungsmitglieder ist eigentlich schon komplett, dazu suchen wir noch zukünftige Vorstandsmitglieder und Vereinsverwalter. Wer Interesse hat, schon von Anfang an dabei zu sein, der kann sich schon jetzt unter http://wuermtaler.oeko-und-fair.de in eine oder mehrere Listen eintragen.
Wir werden Workshops veranstalten, um die verschiedenen Interessen zu bündeln, dem Projekt eine Richtung zu geben und Aufgaben verantwortlich zu verteilen. In diesem Rahmen wird auch gleich eine Satzung erarbeitet, für die bereits existierende Satzungen erfolgreicher Regionalgeld-Projekte als Rahmen dienen. In diesen Workshops sollte bereits ein kooperierendes regionales Geldinstitut vertreten sein, das den Umtausch und die Hinterlegung der getauschten Euro als Dienstleistung übernimmt.
Erst dann kommt die Hauptaufgabe, nämlich vorab Unternehmen, Geschäfte und Dienstleister zu akquirieren, die eine Bezahlung mit dem WürmTaler akzeptieren wollen. Interessierte Unternehmen können sich ebenfalls schon jetzt unter http://wuermtaler.oeko-und-fair.de in die Liste der „Akzeptanzunternehmen“ eintragen. Einige sehr wichtige Unternehmen haben übrigens schon spontan zugesagt.
Schließlich suchen wir vorab mit Hilfe breiter Werbung und Info-Veranstaltungen Verbraucher, die bereit sind, in Akzeptanzunternehmen mit dem „WürmTaler“ zu bezahlen und dabei den Vorteil von einem „WürmTaler-Rabatt“ zu genießen.
Wenn das Gerüst steht, lassen wir Geldscheine in den Tranchen 1, 5, 10, 20, 50, 100 grafisch entwerfen und bei einem Partner fälschungssicher drucken. Die Geldmenge ist abhängig von der Zahl der Teilnehmer und kann kontinuierlich erhöht werden.
Je nach Ergebnis der transparenten Workshops kann es auch eine Banking-Plattform für PC und eine App für Smartphone geben. Ein Backoffice erstellt ein permanentes und transparentes Reporting und eine jährliche Inventur und Revision wird für Transparenz sorgen.
Der Umtausch von Euro in „WürmTaler“ findet bei einem kooperierenden Geldinstitut und/oder bei anderen Ausgabestellen statt, die bestenfalls auch gleichzeitig Akzeptanzstellen sind. Das heißt, dort kann mit „WürmTaler“ bezahlt werden.
Ein grober Zeitplan geht davon aus, dass noch im Jahr 2020 die Voraussetzungen schaffen werden, um dann im Jahr 2021 mit der Umsetzung zu beginnen und Mitte des Jahres ein Kickoff-Fest zu feiern.“
Danke für das Interview! Wir sind gespannt, wie sich der WürmTaler entwickelt und wünschen dem Projekt viel Erfolg.
Der WürmTaler – eine Regionalwährung zur Stärkung der Wirtschaft vor Ort
Nach Finanzkrisen, Bankenkrisen und Globalisierungskrise werden immer öfter Forderungen nach alternativen Wirtschaftsformen laut. Gemeinwohlökonomie, Postwachstumsökonomie und Transformation werden ernsthaft diskutiert und bereits umgesetzt. Die neoliberale Marktwirtschaft der letzten Jahrzehnte scheint gescheitert. In diesem Konsens gibt es eine Initiative, im Würmtal eine Regionalwährung einzuführen.
„Unser Würmtal“ sprach mit Karl Heinz Jobst, einem der Initiatoren.
Warum brauchen wir im Würmtal zusätzlich zum Euro eine regionale Währung?
K. H. JOBST: „Die globalisierte Weltwirtschaft und die ungeregelten Finanzmärkte sind äußerst instabil. Kritische Wirtschaftsexperten erwarten in Kürze eine Währungsreform. Die Frage ist: Wie werden in diesem Fall die Grundbedürfnisse der Menschen abdeckt? Der örtliche Handel ist seit einigen Jahren der Großstadt-Konkurrenz und den Online-Konzernen nicht mehr gewachsen und blutet stetig aus. Handelsketten verdrängen kleine Geschäfte, bestimmen zunehmend die Ortsbilder, dominieren das Einheitsangebot und die Gemeinden verlieren mit ihrer Vielfalt auch ihre Attraktivität. Eine Regionalwährung im Würmtal als Krisen-Backup zum Euro und gleichzeitig als dauerhafte Stütze für den heimischen Mittelstand ist die Lösung.“
Darf man Geld eigentlich so einfach drucken und in Umlauf bringen?
K. H. JOBST: „Ja, Geld drucken ist nicht illegal. Wir müssen wissen, dass 85% allen Geldes in der Eurozone lediglich virtuelle Kredite sind, die von Privatbanken vergeben werden. Durch das Wachstumsdogma angefeuert, wird Geld ständig vermehrt, ohne dass Werte dahinterstehen. Allerdings erwirtschaften diese Schulden Zinsen, die zu einer automatischen Konzentration des Geldes bei Banken und Investoren führen. Aber nicht nur Banken dürfen Geld schöpfen. Jedermann darf Geld in überschaubarem Maß drucken und komplementär in Umlauf bringen.
Geld ist im Prinzip nichts anderes als eine Vereinbarung darüber, wie hoch der Wert einer Leistung oder eines Produktes ist. Zwei Beispiele hierfür: Der Mindestwert einer Arbeitsstunde beträgt derzeit 9,35 € und ein Brot kostet etwa 5 €. Dieses Brot könnte man aber auch anstatt zu bezahlen, gegen eine halbe Stunde Nachhilfeunterricht tauschen. Weil aber der Bäcker sein Brot kaum gegen ein halbes Pfund Aufschnitt vom Metzger tauschen wird, wird der Sinn von Regionalgeld deutlich. Aber zusätzlich zu den vergleichbaren Werten, kommen lokale und regionale Interessen und Ziele ins Spiel.“
Der Euro ist doch ein stabiles Zahlungsmittel. Was ist so schlecht am Euro und an der globalen Wirtschaft?
K. H. JOBST: „Die Globalisierung hat die neoliberale Wirtschaft auf die Spitze getrieben. Die sogenannten „Märkte“ regulieren sich eben nicht selbst, wie versprochen, sondern sie eskalieren uferlos. Der weltweite Online-Handel explodiert, häuft Kapital in unvorstellbarem Ausmaß bei wenigen Oligarchen an und zahlt aber kaum Steuern, mit denen Dinge des Gemeinwohls, also Infrastruktur, Soziales, Bildung, Gesundheitswesen usw. finanziert werden können. Dass aber die gesamte Wirtschaft nicht dem Profit, sondern ausdrücklich vor allem dem Gemeinwohl zu dienen hat, steht nicht nur im Artikel 151 der Bayerischen Verfassung. Wegen der Eskalation der Wirtschaft wird der Ruf nach einer Rückkehr zur Regionalität als Gegenstück zur Globalisierung immer lauter. Sogar die privilegierte Metropolregion München, die alles unternimmt um im globalen Wettstreit mithalten zu können, hat vor kurzem erkannt, dass ihre Zukunft auch und vor allem von identitätsstiftender Regionalität abhängt und wirbt dafür mit Werbemitteln.
Umso wichtiger ist es, dass gerade kleinräumige Strukturen wie Gemeinden oder Landkreise ihre Wurzeln mit Nahrung versorgen, damit sie wirtschaftlich, sozial und kulturell blühen können. Ihre Wurzeln, das sind Handwerk, Handel, Gastronomie und Dienstleistung, aber auch funktionierende Gemeindeverwaltungen, die Verständnis für die Bedürfnisse ihrer steuerzahlenden Unternehmen haben.“
Die Würmtalgemeinden profitieren doch auch von der Metropolregion. Kommt jetzt eine Abspaltung von München auf uns zu?
K. H. JOBST: „Nein, soweit wird es nicht kommen! Aber die Stadt München mit ihrem attraktiven Konsum-Angebot und in begrenztem Maß auch die Stadt Starnberg mit ihrer hohen Freizeitqualität ziehen bedauerlicherweise große Geldmengen aus dem Würmtal ab. Dieses Geld kehrt nicht mehr zurück, sondern wird außerhalb angehäuft. Für das Würmtal heißt das in Konsequenz: den Zusammenhalt der Unternehmen stärken, Kooperationen mehren und erkennen, dass mit einer gemeinsamen Identität und einem kräftigen Wir-Gefühl eine gute Zukunft möglich ist. Wir sollten Mittel und Wege finden, wie das Geld der Menschen in unserer Region zum eigenen Vorteil im Würmtal selbst zirkuliert.“
Und diese Funktion soll nun der „WürmTaler“ übernehmen?
K. H. JOBST: „Richtig! Es gab in der Vergangenheit den anerkennenswerten Versuch, mit einem Würmtaler-Gutscheinsystem diese Ziele zu erreichen. Leider war die Akzeptanz bei Verbrauchern und Unternehmen nicht groß genug, um wirksam und spürbar zu werden. Mit dem Arbeitsnamen „WürmTaler“ soll nun eine Regionalwährung an den Start gehen, mit dem die bekannten Fehler vermieden und neue Erfahrungen eingebracht werden sollen. Für technische und logistische Unterstützung kann auf die Erfahrung von erfolgreichen Vorreitern (Chiemgauer, Ennstaler) zugegriffen werden.“
Wie soll der „WürmTaler“ neben dem Euro funktionieren. Ist das nicht zu kompliziert?
K. H. JOBST: „Es ist im Prinzip ganz einfach. Eine bestimmte Summe Euro wird als Abonnement in WürmTaler umgetauscht. Das neue Geld wird in fälschungssicheren Geldscheinen ausgegeben.
Die umgetauschten Euro werden bei einer kooperierenden Bank hinterlegt. Sie dürfen nicht weiterverwendet oder ausgegeben werden. WürmTaler können jederzeit wieder zurückgetauscht werden.
Größere Summen „WürmTaler“ anzuhäufen ist nicht sinnvoll. Das Geld muss so oft wie möglich innerhalb des Geltungsbereichs zirkulieren. Deswegen gibt es einen Rücktauschverlust, wenn das Regionalgeld längere Zeit nicht genutzt wurde oder zurückgetauscht wird. Der Geltungsbereich wird definiert durch die Verbreitung der Akzeptanzstellen und der Abonnenten (Konsumenten). Außerhalb dieses Geltungsbereichs ist der „WürmTaler“ wertlos.
Statistiken aus erfolgreichen Regionen besagen, dass die Scheine 3-4mal pro Jahr innerhalb der Region zirkulieren. Die Folge ist eine signifikante Kaufkraftbindung und -lenkung. Akzeptanz- und Umtauschstellen ziehen regelmäßig neue Kundschaft an und binden diese durch Werbenutzen und laufende Kommunikation. Wer am Regionalgeld teilnimmt, generiert daraus außerdem einen beträchtlichen Imagegewinn, der durch Kommunikation in Broschüren, auf der Internetplattform und in Anzeigen generiert wird. 75-80% der Unternehmen tauschen das Regionalgeld nie in Euro zurück, sondern verwenden diese immer wieder zum Einkaufen in der Region. Sie tragen damit erheblich zum Wertschöpfungskreislauf und Wertschöpfungsgewinn bei.
60% der Regionalgeld-Abonnenten werden dazu animiert, deutlich mehr innerhalb als außerhalb der Region zu konsumieren.
Eine Eintauschgebühr (2-3%) sorgt für eine soziale Komponente, die im Prinzip Allen zugutekommt. Denn entweder der Trägerverein legt fest oder jeder Abonnent von WürmTalern kann selbst bestimmen, wie die Eintauschgebühr oder der Rücktauschverlust verwendet werden soll. Das können Vereine, soziale Einrichtungen oder spezielle Projekte sein. So wird dem Gemeinwohl kontinuierlich Rechnung getragen, nicht aber einem Kapitalzuwachs. Dies ist im Übrigen auch ein wesentliches Ziel der immer mehr Verbreitung findenden Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ www.ecogood.org). Das Regionalgeldmodell wird über Jahresgebühren der Akzeptanzunternehmen, Sponsoring, Förderungen oder Partnerschaften finanziert.“
Wie rechnet sich das Regionalgeld? Gibt es dafür Beispiele?
K. H. JOBST: „Ja es gibt statistische Erfahrungswerte, die anschaulich auf eine überschaubare und mit der Gemeinde Gauting vergleichbaren Region mit 10.000 Haushalten heruntergerechnet wurden. 10% der Haushalte (1.000) werden zu Abonnenten. Mit einer durchschnittlichen Abosumme von 170 ergibt sich eine Gesamt-Abosumme von 170.000 pro Monat. Bei einer 4maligen Zirkulation pro Monat ergibt sich pro Jahr eine Umlaufsumme in Höhe von 8,16 Mio. in Regionalgeld.
Anders ausgedrückt: In der Gemeinde Gauting zirkulieren ganz bewusst ca. 8 Mio. eurogedeckte WürmTaler, mit denen Arbeitsplätze und Existenzen gesichert, die Attraktivität der Region erhöht und gleichzeitig Gutes für soziale Zwecke bewirkt wird. Zum Beispiel stehen bei 3 % Umtauschgebühr von 170.000 sage und schreibe 5.100 pro Monat für Projekte des Gemeinwohls zur Verfügung. Auch beim Rücktausch in Euro wird ein Umtauschverlust berechnet, der den Sozialanteil erhöht. Zahlen, die sich sehen lassen können und die für weitere Gemeinden des Würmtals ohne Weiteres skaliert werden können, je nachdem wie groß der Wirkungsbereich definiert werden soll.“
Das klingt einleuchtend. Wie soll es denn jetzt weitergehen und wann kommt der erste WürmTaler in Umlauf?
K. H. JOBST: „Wir werden zunächst einen Trägerverein gründen. Der Kreis der Gründungsmitglieder ist eigentlich schon komplett, dazu suchen wir noch zukünftige Vorstandsmitglieder und Vereinsverwalter. Wer Interesse hat, schon von Anfang an dabei zu sein, der kann sich schon jetzt unter http://wuermtaler.oeko-und-fair.de in eine oder mehrere Listen eintragen.
Wir werden Workshops veranstalten, um die verschiedenen Interessen zu bündeln, dem Projekt eine Richtung zu geben und Aufgaben verantwortlich zu verteilen. In diesem Rahmen wird auch gleich eine Satzung erarbeitet, für die bereits existierende Satzungen erfolgreicher Regionalgeld-Projekte als Rahmen dienen. In diesen Workshops sollte bereits ein kooperierendes regionales Geldinstitut vertreten sein, das den Umtausch und die Hinterlegung der getauschten Euro als Dienstleistung übernimmt.
Erst dann kommt die Hauptaufgabe, nämlich vorab Unternehmen, Geschäfte und Dienstleister zu akquirieren, die eine Bezahlung mit dem WürmTaler akzeptieren wollen. Interessierte Unternehmen können sich ebenfalls schon jetzt unter http://wuermtaler.oeko-und-fair.de in die Liste der „Akzeptanzunternehmen“ eintragen. Einige sehr wichtige Unternehmen haben übrigens schon spontan zugesagt.
Schließlich suchen wir vorab mit Hilfe breiter Werbung und Info-Veranstaltungen Verbraucher, die bereit sind, in Akzeptanzunternehmen mit dem „WürmTaler“ zu bezahlen und dabei den Vorteil von einem „WürmTaler-Rabatt“ zu genießen.
Wenn das Gerüst steht, lassen wir Geldscheine in den Tranchen 1, 5, 10, 20, 50, 100 grafisch entwerfen und bei einem Partner fälschungssicher drucken. Die Geldmenge ist abhängig von der Zahl der Teilnehmer und kann kontinuierlich erhöht werden.
Je nach Ergebnis der transparenten Workshops kann es auch eine Banking-Plattform für PC und eine App für Smartphone geben. Ein Backoffice erstellt ein permanentes und transparentes Reporting und eine jährliche Inventur und Revision wird für Transparenz sorgen.
Der Umtausch von Euro in „WürmTaler“ findet bei einem kooperierenden Geldinstitut und/oder bei anderen Ausgabestellen statt, die bestenfalls auch gleichzeitig Akzeptanzstellen sind. Das heißt, dort kann mit „WürmTaler“ bezahlt werden.
Ein grober Zeitplan geht davon aus, dass noch im Jahr 2020 die Voraussetzungen schaffen werden, um dann im Jahr 2021 mit der Umsetzung zu beginnen und Mitte des Jahres ein Kickoff-Fest zu feiern.“
Danke für das Interview! Wir sind gespannt, wie sich der WürmTaler entwickelt und wünschen dem Projekt viel Erfolg.
Der WürmTaler – eine Regionalwährung zur Stärkung der Wirtschaft vor Ort
Nach Finanzkrisen, Bankenkrisen und Globalisierungskrise werden immer öfter Forderungen nach alternativen Wirtschaftsformen laut. Gemeinwohlökonomie, Postwachstumsökonomie und Transformation werden ernsthaft diskutiert und bereits umgesetzt. Die neoliberale Marktwirtschaft der letzten Jahrzehnte scheint gescheitert. In diesem Konsens gibt es eine Initiative, im Würmtal eine Regionalwährung einzuführen.
„Unser Würmtal“ sprach mit Karl Heinz Jobst, einem der Initiatoren.
Warum brauchen wir im Würmtal zusätzlich zum Euro eine regionale Währung?
K. H. JOBST: „Die globalisierte Weltwirtschaft und die ungeregelten Finanzmärkte sind äußerst instabil. Kritische Wirtschaftsexperten erwarten in Kürze eine Währungsreform. Die Frage ist: Wie werden in diesem Fall die Grundbedürfnisse der Menschen abdeckt? Der örtliche Handel ist seit einigen Jahren der Großstadt-Konkurrenz und den Online-Konzernen nicht mehr gewachsen und blutet stetig aus. Handelsketten verdrängen kleine Geschäfte, bestimmen zunehmend die Ortsbilder, dominieren das Einheitsangebot und die Gemeinden verlieren mit ihrer Vielfalt auch ihre Attraktivität. Eine Regionalwährung im Würmtal als Krisen-Backup zum Euro und gleichzeitig als dauerhafte Stütze für den heimischen Mittelstand ist die Lösung.“
Darf man Geld eigentlich so einfach drucken und in Umlauf bringen?
K. H. JOBST: „Ja, Geld drucken ist nicht illegal. Wir müssen wissen, dass 85% allen Geldes in der Eurozone lediglich virtuelle Kredite sind, die von Privatbanken vergeben werden. Durch das Wachstumsdogma angefeuert, wird Geld ständig vermehrt, ohne dass Werte dahinterstehen. Allerdings erwirtschaften diese Schulden Zinsen, die zu einer automatischen Konzentration des Geldes bei Banken und Investoren führen. Aber nicht nur Banken dürfen Geld schöpfen. Jedermann darf Geld in überschaubarem Maß drucken und komplementär in Umlauf bringen.
Geld ist im Prinzip nichts anderes als eine Vereinbarung darüber, wie hoch der Wert einer Leistung oder eines Produktes ist. Zwei Beispiele hierfür: Der Mindestwert einer Arbeitsstunde beträgt derzeit 9,35 € und ein Brot kostet etwa 5 €. Dieses Brot könnte man aber auch anstatt zu bezahlen, gegen eine halbe Stunde Nachhilfeunterricht tauschen. Weil aber der Bäcker sein Brot kaum gegen ein halbes Pfund Aufschnitt vom Metzger tauschen wird, wird der Sinn von Regionalgeld deutlich. Aber zusätzlich zu den vergleichbaren Werten, kommen lokale und regionale Interessen und Ziele ins Spiel.“
Der Euro ist doch ein stabiles Zahlungsmittel. Was ist so schlecht am Euro und an der globalen Wirtschaft?
K. H. JOBST: „Die Globalisierung hat die neoliberale Wirtschaft auf die Spitze getrieben. Die sogenannten „Märkte“ regulieren sich eben nicht selbst, wie versprochen, sondern sie eskalieren uferlos. Der weltweite Online-Handel explodiert, häuft Kapital in unvorstellbarem Ausmaß bei wenigen Oligarchen an und zahlt aber kaum Steuern, mit denen Dinge des Gemeinwohls, also Infrastruktur, Soziales, Bildung, Gesundheitswesen usw. finanziert werden können. Dass aber die gesamte Wirtschaft nicht dem Profit, sondern ausdrücklich vor allem dem Gemeinwohl zu dienen hat, steht nicht nur im Artikel 151 der Bayerischen Verfassung. Wegen der Eskalation der Wirtschaft wird der Ruf nach einer Rückkehr zur Regionalität als Gegenstück zur Globalisierung immer lauter. Sogar die privilegierte Metropolregion München, die alles unternimmt um im globalen Wettstreit mithalten zu können, hat vor kurzem erkannt, dass ihre Zukunft auch und vor allem von identitätsstiftender Regionalität abhängt und wirbt dafür mit Werbemitteln.
Umso wichtiger ist es, dass gerade kleinräumige Strukturen wie Gemeinden oder Landkreise ihre Wurzeln mit Nahrung versorgen, damit sie wirtschaftlich, sozial und kulturell blühen können. Ihre Wurzeln, das sind Handwerk, Handel, Gastronomie und Dienstleistung, aber auch funktionierende Gemeindeverwaltungen, die Verständnis für die Bedürfnisse ihrer steuerzahlenden Unternehmen haben.“
Die Würmtalgemeinden profitieren doch auch von der Metropolregion. Kommt jetzt eine Abspaltung von München auf uns zu?
K. H. JOBST: „Nein, soweit wird es nicht kommen! Aber die Stadt München mit ihrem attraktiven Konsum-Angebot und in begrenztem Maß auch die Stadt Starnberg mit ihrer hohen Freizeitqualität ziehen bedauerlicherweise große Geldmengen aus dem Würmtal ab. Dieses Geld kehrt nicht mehr zurück, sondern wird außerhalb angehäuft. Für das Würmtal heißt das in Konsequenz: den Zusammenhalt der Unternehmen stärken, Kooperationen mehren und erkennen, dass mit einer gemeinsamen Identität und einem kräftigen Wir-Gefühl eine gute Zukunft möglich ist. Wir sollten Mittel und Wege finden, wie das Geld der Menschen in unserer Region zum eigenen Vorteil im Würmtal selbst zirkuliert.“
Und diese Funktion soll nun der „WürmTaler“ übernehmen?
K. H. JOBST: „Richtig! Es gab in der Vergangenheit den anerkennenswerten Versuch, mit einem Würmtaler-Gutscheinsystem diese Ziele zu erreichen. Leider war die Akzeptanz bei Verbrauchern und Unternehmen nicht groß genug, um wirksam und spürbar zu werden. Mit dem Arbeitsnamen „WürmTaler“ soll nun eine Regionalwährung an den Start gehen, mit dem die bekannten Fehler vermieden und neue Erfahrungen eingebracht werden sollen. Für technische und logistische Unterstützung kann auf die Erfahrung von erfolgreichen Vorreitern (Chiemgauer, Ennstaler) zugegriffen werden.“
Wie soll der „WürmTaler“ neben dem Euro funktionieren. Ist das nicht zu kompliziert?
K. H. JOBST: „Es ist im Prinzip ganz einfach. Eine bestimmte Summe Euro wird als Abonnement in WürmTaler umgetauscht. Das neue Geld wird in fälschungssicheren Geldscheinen ausgegeben.
Die umgetauschten Euro werden bei einer kooperierenden Bank hinterlegt. Sie dürfen nicht weiterverwendet oder ausgegeben werden. WürmTaler können jederzeit wieder zurückgetauscht werden.
Größere Summen „WürmTaler“ anzuhäufen ist nicht sinnvoll. Das Geld muss so oft wie möglich innerhalb des Geltungsbereichs zirkulieren. Deswegen gibt es einen Rücktauschverlust, wenn das Regionalgeld längere Zeit nicht genutzt wurde oder zurückgetauscht wird. Der Geltungsbereich wird definiert durch die Verbreitung der Akzeptanzstellen und der Abonnenten (Konsumenten). Außerhalb dieses Geltungsbereichs ist der „WürmTaler“ wertlos.
Statistiken aus erfolgreichen Regionen besagen, dass die Scheine 3-4mal pro Jahr innerhalb der Region zirkulieren. Die Folge ist eine signifikante Kaufkraftbindung und -lenkung. Akzeptanz- und Umtauschstellen ziehen regelmäßig neue Kundschaft an und binden diese durch Werbenutzen und laufende Kommunikation. Wer am Regionalgeld teilnimmt, generiert daraus außerdem einen beträchtlichen Imagegewinn, der durch Kommunikation in Broschüren, auf der Internetplattform und in Anzeigen generiert wird. 75-80% der Unternehmen tauschen das Regionalgeld nie in Euro zurück, sondern verwenden diese immer wieder zum Einkaufen in der Region. Sie tragen damit erheblich zum Wertschöpfungskreislauf und Wertschöpfungsgewinn bei.
60% der Regionalgeld-Abonnenten werden dazu animiert, deutlich mehr innerhalb als außerhalb der Region zu konsumieren.
Eine Eintauschgebühr (2-3%) sorgt für eine soziale Komponente, die im Prinzip Allen zugutekommt. Denn entweder der Trägerverein legt fest oder jeder Abonnent von WürmTalern kann selbst bestimmen, wie die Eintauschgebühr oder der Rücktauschverlust verwendet werden soll. Das können Vereine, soziale Einrichtungen oder spezielle Projekte sein. So wird dem Gemeinwohl kontinuierlich Rechnung getragen, nicht aber einem Kapitalzuwachs. Dies ist im Übrigen auch ein wesentliches Ziel der immer mehr Verbreitung findenden Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ www.ecogood.org). Das Regionalgeldmodell wird über Jahresgebühren der Akzeptanzunternehmen, Sponsoring, Förderungen oder Partnerschaften finanziert.“